Große, ohrumschließende Bügelkopfhörer liegen wieder im Trend. Das war jedoch sicher nicht der einzige Anlass für den deutschen Traditionshersteller Beyerdynamic, seine Studioklassiker DT 770 Pro und DT 990 Pro neu aufzulegen – als DT 1770 Pro und DT 1990 Pro. Wir haben ein Testmuster des offenen DT 1990 Pro geordert, um uns ein Bild von der neuen Edition zu machen.
Design und Verarbeitung
Mit dem Namenszusatz „Pro“ verdeutlicht Beyerdynamic den Einsatzbereich im Tonstudio. Die Vorgängermodelle erfreuten sich jedoch auch bei Hi-Fi-Hörern großer Beliebtheit. So ist es nicht verwunderlich, dass der Hersteller das Erscheinungsbild des Kopfhörers aufgewertet hat. Die Ohrenschalen des DT 1990 Pro bestehen aus haptisch hochwertigem Kunststoff. Im Vergleich zum Vorgänger weisen sie zusätzlich einen glänzenden Schriftzug auf, und das Metallgitter blitzt durch die Schalenöffnungen hindurch. Ein zweiteiliges Polster umschließt den Federstahlbügel, der nun per Metallkopplung an den Ohrenschalen andockt. Die Größenverstellung bietet neben spürbaren Rasterpunkten auch optische Indikatoren, wodurch das Verstellen stets gleichmäßig gelingt.Ausstattung
Als größter Unterschied zum Vorgänger fällt das abnehmbare Kabel ins Auge: Ein Mini-XLR-Stecker verbindet wahlweise ein glattes (3 Meter) oder ein Spiralkabel (5 Meter, gestreckt) sicher per Schnappverschluss mit der linken Ohrenschale – beide sind im Lieferumfang enthalten. Die Kabel selbst verfügen über einen robusten Knickschutz, zum Schutz vor Korrosion vergoldete Kontakte sowie jeweils einen abschraubbaren Adapter, um zwischen Achtel- und Viertel-Zoll-Klinkenanschluss zu wechseln. Im mitgelieferten Hardcase befindet sich außerdem ein weiteres Paar Ohrpolster. Zwar sind beide Polstersätze in schwarzem Velours gehalten, Beyerdynamic verspricht jedoch sogar einen Einfluss auf den Klang: Ein Paar (EDT 1990 A) soll sich besser zum analytischen Hören eignen, das andere (EDT 1990 B) dank einer leichten Bassanhebung etwas wärmer klingen.
Im Inneren arbeiten zwei Tesla-Treiber. Mit Elektroautos hat das jedoch nichts zu tun: Beyerdynamic hat diese Technologie erstmals für seine High-End-Modelle P 1 und P 5 entwickelt. Die besonders dünnen Membranen und Kupferleitungen (laut Hersteller halb so dick wie ein Menschenhaar) machen den Treiber besonders leicht, was Detailabbildung und Impulsfreudigkeit begünstigt. Die Ohrenschalen sind in offener Bauweise gehalten, Geräusche von außen sind also hörbar. Das ist praktisch, um zum Beispiel ansprechbar zu bleiben, das Türklingeln zu hören oder Gefahrensignale zu erkennen. Wer sich von der Umgebung abschotten möchte, greift zum geschlossenen Schwestermodell DT 1770 Pro. Mit einer Impedanz von 250 Ohm hat der DT 1990 Pro deutlich mehr Widerstand als Kopfhörer für den mobilen Gebrauch, doch stellt das für durchschnittliche Verstärker in Smartphones und PCs kein Hindernis dar. Mit etwas weiter aufgedrehter Lautstärke erreicht man auch hier ausreichende Pegel.
In diesem Preisbereich ist es erfreulich, dass Beyerdynamic Ohrpolster und Kabel als Ersatzteile sowie einen Reparaturservice (45 Euro pro Arbeitsstunde) anbietet. Laut Bedienungsanleitung ist auch ein Austausch des Kopfpolsters möglich, das passende Ersatzteil ist jedoch auf der Produktseite nicht verlinkt – hier hilft der Anruf beim Hersteller.
Tragekomfort
Keine Angst vorm Kuscheln! Der DT 1990 Pro schmiegt sich mit seinen dicken Velours-Polstern angenehm ans Ohr an. Einhören lohnt sich: Der Kern aus Memory-Foam passt sich über die Zeit an die Kopfform an. Trotz des flauschigen Hörvergnügens hält sich der Wärmestau unter dem Kopfhörer in Grenzen. Bei gewöhnlicher Zimmertemperatur kamen wir nicht ins Schwitzen. Das Kopfband liegt zunächst kaum spürbar auf. Erst nach über vier Stunden Dauereinsatz macht sich hier ein Drücken bemerkbar – für einen Kopfhörer dieser Größe ist das tadellos. Trotz dieses Tragekomforts sitzt der Kopfhörer fest und sicher. Ruckartige Kopfbewegungen stellen kein Problem dar, etwa beim Umdrehen nach Bedienelementen im Tonstudio. Im professionellen Bereich ist das Spiralkabel von Vorteil: Es verheddert sich seltener in anderen Kabeln oder im Bürostuhl.
Klangqualität
Es ist Zeit zum Schwärmen: Was Beyerdynamic klanglich erreicht, ist Referenzklasse! Frequenziell handelt es sich um einen extrem ausgeglichenen Kopfhörer. Besonders akustische Instrumente erklingen angenehm natürlich. Beeindruckend ist, welche Klarheit im Klangbild vorherrscht, selbst wenn kräftige, drückende Basslines wiedergegeben werden – diese allerdings mit großartiger Kontur und Präzision, „matschig“ wird hier wirklich nichts. Gleichzeitig ist der Bassbereich der Teil, an dem sich mancher Hörer stören könnte: Bei vielen Kopfhörern wird dieser stärker betont. Obgleich von der Bassgitarre bis zur Orgel stets alle tiefen Frequenzen abgebildet werden, so mag sich der begeisterte Hörer elektronischer Gangarten über einen unzureichenden Druck beschweren. Das ist aber keineswegs ein Problem des Kopfhörers – dieser hat sich schließlich der analytischen, linearen Wiedergabe verschrieben.
Sofort fällt die Wertigkeit des Tesla-Treibers auf. Seine Präzision lässt auch kleinste Details in aller Klarheit erklingen, damit einher geht eine großartige Impulsfreudigkeit. Der Anschlag akustischer Gitarrensaiten und Percussion klingen natürlich, jede Feinheit ist hörbar. Der Kopfhörer arbeitet dabei nicht zu analytisch, sondern liefert stets einen konsistenten Gesamteindruck, der auch bei einem Tutti mit bester Durchhörbarkeit glänzt. An dieser Stelle sei trotzdem gewarnt: Bei diesem Grad an Detailtreue kann so manche Unsauberkeit einer Aufnahme auffallen …
Schließlich kann kein noch so anspruchsvoller Titel den DT 1990 Pro in Sachen Räumlichkeit und Dynamik aus der Reserve locken. Vom Piano Pianissimo folgt der Kopfhörer zum Forte Fortissimo, dass man meint, jemand drehe am Lautstärkeregler mit. Zugleich gibt es an Räumlichkeit und akustischer Bühne nichts auszusetzen.
Beyerdynamic DT 1990 Pro | |
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Bauform | dynamisch, ohrumschließend, offen |
Übertragungsbereich | 5 – 40.000 Hertz |
Nennimpedanz | 250 Ohm |
Gewicht | 370 Gramm |
Zu guter Letzt stellt sich die spannende Frage: Wirkt sich der Wechsel der Ohrpolster wirklich auf den Klang aus? Die Herstellerangaben stimmen! Das Polsterpaar EDT 1990 B steigert geringfügig den Druck im Tieftonbereich. Polsterpaar EDT 1990 A profitiert dafür im Bereich der unteren Mitten von besserer Durchhörbarkeit.
Fazit
Großartiger Klang, hochwertige Verarbeitung und keine offenen Wünsche: Der Beyerdynamic DT 1990 Pro ist ein Monument – das mit 600 Euro (UVP) aber seinen Preis hat. Der Klanggewinn vom bereits sehr guten Vorgänger DT 990 Pro (150 Euro) ist deutlich geringer, als es zum Beispiel der Klanggewinn zwischen einem 50-Euro-Kopfhörer und dem DT 990 Pro noch war. Aber das ist nicht ungewöhnlich: Das Anpeilen von Perfektion wird stets unproportional teuer. Wer noch weiter nach den Sternen greifen möchte, muss für die größeren Tesla-Brüder den Geldbeutel sogar noch mehr strapazieren – oder es folgt gleich der Griff zu elektrostatischen Kopfhörern à la Stax für das Vielfache des Preises. Aus dieser Perspektive betrachtet bietet der DT 1990 Pro eine Klangqualität, wie sie gewöhnlich erst in noch höheren Preisklassen zu finden ist.