Es gibt sie noch, die echten Innovationen im Kopfhörerbereich. Der US-amerikanische Hersteller Audeze (sprich: Odyssee) bringt frischen Wind in das alte Thema „Surround-Sound unter Kopfhörern“. Mit beachtlichem Erfolg.
Design, Verarbeitung und Ausstattung
Inhalt
Im Inneren des Kopfhörers warten die echten Ausstattungs-Highlights. Als erstes sind die magnetostatischen Wandler zu nennen. Sie versprechen eine größere Impulsfreude als die herkömmlichen dynamischen Schallwandler, erfordern aber starke (und oftmals schwere) Magnete.
Die wahre Innovation ist die digitale Signalverarbeitung samt Head-Tracking, um eine Raumsimulation in Echtzeit sowie echtes Surround zu erzeugen. Dafür rechnet im Kopfhörer ein Prozessor mit acht Kernen – das ist mehr als bei vielen Smartphones. Ziel der Raumsimulation ist es, den Klang der Kopfhörer „aus dem Kopf heraus“ zu bekommen: Für gewöhnlich lokalisieren wir den Ton bei Kopfhörern stets zwischen den Ohrenschalen, also gefühlt im Kopf. Die Raumsimulation erzeugt ein Klangbild, das dem Hörer das Gefühl gibt, vor Lautsprechern zu sitzen. Analog und per Bluetooth sitzt er vor einem Stereo-Paar, per USB kann es sogar ein virtuelles 7.1-Setup sein.
Ob die Raumsimulation überzeugend klappt, entscheidet maßgeblich das Head-Tracking (weshalb das so ist – siehe letztes Kapitel unten). Über integrierte Sensoren erfasst der Kopfhörer 1.000 Mal pro Sekunde die Kopfposition des Trägers. Im manuellen 3D-Modus legt der Benutzer per Knopfdruck eine Normalposition fest, die als „vorne“ gilt. Bei Kopfdrehungen bleibt die Musik am festen Ort und wandert so um den Kopf herum. Im automatischen Modus (der für den mobilen Einsatz konzipiert ist) folgt das Klangbild den Kopfbewegungen mit etwas Trägheit. Andernfalls würde sich beim Laufen oder Radeln das Klangbild ständig um den Hörer herumbewegen. Zu guter Letzt erlaubt der Mobius einen reinen Stereo-Modus ohne Raumsimulation. Er gibt den Ton dann wie jeder andere gewöhnliche Kopfhörer aus.
Inbetriebnahme
Ob analog, USB oder Bluetooth: Die Inbetriebnahme des Mobius ist denkbar einfach. Die Bluetooth-Konnektivität konnten wir in Sekunden herstellen. Der analoge Anschluss bedarf keiner Erklärung – kritisch sind dagegen in der Regel USB-Geräte. Der große Vorteil des Mobius ist aber, dass er keine spezifische Software benötigt. Nach dem Anschluss an einen freien USB-Port funktioniert der Kopfhörer mit Standard-Treibern, das Betriebssystem erkennt ihn korrekt als Acht-Kanal-Wiedergabegerät. Weder eine Software noch Admin-Rechte sind nötig. Der USB-Modus ist auf Windows- und Mac-Computer begrenzt, Spielekonsolen und Tablets bleiben außen vor.
Dennoch gibt es eine begleitende Software, die Audeze kostenlos für Windows und MacOS zur Verfügung stellt. Sie bietet Equalizer-Presets per Mausklick – das ist am Rechner praktischer und schneller, als die Einstellung an den Tasten am Kopfhörer vorzunehmen. Exklusiv in der App gibt es Optionen, um die Raumsimulation zu personalisieren. Neben der Größe und somit „Halligkeit“ des Raumes sind das der Kopfumfang und der Abstand zwischen den Ohren, gemessen über den Hinterkopf. Diese Parameter können die Qualität der Raumsimulation beeinflussen und sogar im Zweifel darüber entscheiden, ob sie überhaupt funktioniert oder nicht. Momentan ist die Software leider nur auf Englisch verfügbar und bietet Eingaben in Zoll. Eine deutsche Version mit Zentimetern ist wünschenswert.
Bedienung
Achtung, es wird etwas komplizierter! Die Bedienung des Mobius erfolgt über zwei Räder, zwei Tasten und einen Schiebeschalter an der linken Ohrenschale. Selbsterklärend sind die beiden Regler für die Wiedergabe- und die Mikrofonlautstärke. Der Schieberegler schaltet das Mikrofon bei Bedarf stumm und wieder aktiv. Die 3D-Taste und der Power-Button sind jedoch mit drei beziehungsweise vier Funktionen belegt – und die beiden Drehregler können ebenfalls durch Drücken zwei weitere Funktionen auslösen.
Ganz klar: Ohne Anleitung geht hier zunächst nichts. Abstrafen wollen wir das im Test jedoch nicht. Einerseits ist die grundlegende Benutzung ohne die speziellen Mobius-Funktionen noch intuitiv. Andererseits wäre es schwierig, alle Funktionen als separate Taster unterzubringen – das Ergebnis wäre sowohl in der Konstruktion als auch der Bedienbarkeit vermutlich Unsinn. Dass die Bedienung einer kleinen Einarbeitung bedarf, ist schlicht eine Folge des großen Funktionsumfangs.
Vorsicht ist beim Umschalten des Betriebsmodus geboten. Beim ersten Anschließen des Kopfhörers erkennt das Betriebssystem ihn als Achtkanalgerät und stellt die Lautstärke auf 100 Prozent – das ist gefährlich! Beim Umschalten auf den Zweikanalmodus mit Raumsimulation und den High-Res-Modus ohne Raumsimulation erkennt das Betriebssystem den Kopfhörer jeweils als neues Gerät. Die Lautstärke wird beim ersten Mal jeweils erneut auf 100 Prozent gestellt – hier droht ein Gehörschaden. Eventuell liegt die Schuld hier nicht beim Hersteller sonderm beim Handling durch das Betriebssystem. Sollten wir zu diesem Punkt neue Erkenntnisse haben, veröffentlichen wir diese hier per Update.
Audio- und Sprachqualität
An dieser Stelle unterscheiden wir zwischen dem Klangeindruck im gewöhnlichen Stereo-Betrieb und mit Raum-Simulation. Im Stereo-Betrieb (und mit EQ-Preset „flat“) zeigt der Mobius typischen Audeze-Charakter. Die magnetostatischen Treiber liefern eine herausragende Impulstreue. So bildet der Kopfhörer feinste Details mit graziler Rauhigkeit ab und ermöglicht eine grandiose Durchhörbarkeit. Während die Abstimmung generell sehr neutral und passend zu vielen Musikgenres wirkt, agiert der Mobius im Bassbereich etwas zurückhaltend, aber konturreich und präzise. Für elektronische Tracks dürfte es etwas mehr Druck sein.
Im Surround-Modus verändert sich die frequenzielle Abstimmung geringfügig, der Bassbereich fällt noch etwas schwächer aus. Der Grundcharakter bleibt aber erhalten. Im Test mit einem effektreichen Film (5.1) stellt sich sofort der gewünschte Raumklang ein. Der virtuelle Centerlautsprecher rückt nach vorne „aus dem Kopf heraus“, die Kanäle links und rechts flankieren ihn. Besonders beeindruckend sind die Effekte der Surround-Lautsprecher, die der Kopfhörer präzise und hervorragend lokalisierbar abbildet. Einzig der Abstand zum Kopf erscheint manchmal etwas geringer als in der Front.
Beim Gaming mit 7.1-Modus entfaltet der Kopfhörer ebenfalls sein volles Potenzial. Die Lokalisation klappt lückenlos. In Rollenspielen fördert das vor allem die Immersion, die eine üppig mit Geräuschen ausgestattete Spielumgebung bieten kann. Bei Shootern und Action-Spielen kann die korrekte Lokalisation sogar Spielvorteile bringen. So hört der Spieler nicht nur, dass sich jemand von hinten anschleicht, sondern kann sogar die Richtung bestimmen und die Flucht oder Drehung entsprechend planen.
Alles in allem erreicht Audeze für einen Preis von 400 Euro eine Qualität bei der Raumsimulation, die andere Systeme (Beyerdynamic Headzone, Smyth Research Realiser) erst zu deutlich höheren Preisen erreichen. Gleichzeitig fällt die Bedienung deutlich einfacherer aus als bei diesen noch komplexeren Varianten – für Mobius bedarf es wahrlich keiner Tonmeister-Ausbildung.
Das Mikrofon liefert generell eine gute Sprachverständlichkeit bei Telefonaten und Online-Chats. Lediglich ein leises Grundrauschen ist hörbar, besser gesagt ein digitales Reduktions-Artefaktrauschen. Vorbildlich ist die Ausblendung von Umgebungsgeräuschen: Schon ein Fingerschnippen auf halber Armlänge Entfernung nimmt das Mikrofon nicht mehr wahr. So bleibt die Sprache auch in lauten Umgebungen verständlich.
Ein Exkurs in die Technik
Audeze Mobius | |
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Bauform | magnetostatisch, ohrumschließend, geschlossen |
Übertragungsbereich | 10 - 50.000 Hz |
Konnektivität | USB, Bluetooth, Miniklinke |
Gewicht (ohne Kabel) | 350 Gramm |
Um Surround-Simulationen unter Kopfhörern zu verstehen, ist es wichtig, sich die Lokalisation beim Menschen in Erinnerung zu rufen. Wir lokalisieren Schallquellen zunächst durch Laufzeit- und Pegelunterschiede zwischen beiden Ohren. Befindet sich eine Schallquelle rechts vom Hörer, ist sie rechts lauter und der Schall kommt dort auch etwas eher an als am linken Ohr.
Das ermöglicht aber noch keine Aussage darüber, ob sich die Schallquelle vorne, hinten, oben oder unten befindet. Unser Gehör ermittelt diese Informationen durch die HRTF („Head Related Transfer Function“, Kopfbezogene Übertragungsfunktion). Kurz gesagt: Unser Gehör weiß aus Erfahrung, wie sich die Reflexionen im Gehörgang, an den Ohrmuscheln und zu Teilen auch am Kopf und Rumpf auf den Klang einer Schallquelle auswirken. Deshalb fällt es uns schwerer, völlig unbekannte Geräusche zu lokalisieren – das Gehör hat hier noch keinen Erfahrungswert.
Surround-Kopfhörer, die den Raumklang über psychoakustische Methoden erzeugen (nicht etwa durch mehrere Treiber im Gehäuse), versuchen nun genau diese HRTF nachzubilden. Sie rechnen jeweils für das rechte und linke Ohr Reflexionen und Klangänderungen ein (in der Regel dient als Grundlage ein Mittelwert, also ein Durchschnitts-Ohr und –Kopf) und schaffen es so, virtuelle Klangquellen wie ein Lautsprecher-Setup um den Hörer herum zu platzieren. Denn: Normalerweise kommt es uns so vor, als sei der Ton bei Kopfhörern im Kopf (In-Kopf-Lokalisation).
Bis hierhin haben das viele Surround-Kopfhörer gemeinsam. Das Problem: Sie funktionieren bestenfalls mäßig, und vor allem nicht für alle Benutzer. Es kann sein, dass ein Hörer Raumklang empfindet, ein anderer aber nicht – wenn etwa die Klangfärbung (die HRTF) seiner Ohren zu weit von dem verwendeten Durchschnittsohr abweicht. Es kommt jedoch noch ein weiterer kritischer Punkt hinzu: Der Mensch lokalisiert erst dann korrekt, wenn er den Kopf bewegen kann. Wir führen unbewusst winzige Lokalisationsbewegungen mit dem Kopf durch, die dem Gehör weitere, veränderliche Informationen liefern.
Die Lösung bei Kopfhörern: Head-Tracking. Normalerweise dreht sich unter Kopfhörern das Klangbild mit dem Kopf mit. Verfolgt das System jedoch die Kopfbewegungen des Trägers, kann es diese in das Klangbild einrechnen. Ist eine Schallquelle frontal vor dem Benutzer und er dreht seinen Kopf nach rechts, erscheint sie nun links von ihm. Dadurch bekommt das Gehör die nötigen Informationen, um auch unter Kopfhörern im virtuellen Raum korrekt zu lokalisieren.
Deshalb ein typischer Effekt bei Surround-Kopfhörern mit Head-Tracking: Zu Beginn der Wiedergabe erscheint das Klangbild noch im Kopf. Mit der ersten Kopfdrehung wandert es aber aus dem Kopf heraus, unser Gehör kann die virtuellen Lautsprecher richtig um uns herum platzieren.
Audeze geht genau diesen wichtigen Schritt und implementiert das Head-Tracking über Bewegungssensoren im Kopfhörer. Damit setzt sich der Mobius von vielen Surround-Kopfhörern ab. Deswegen funktioniert hier die Surround-Simulation beeindruckend gut.
Fazit
Mobius liefert einen hochqualitativen Raumklang, den sonst nur wesentlich komplexere und teurere Systeme bieten. Der entscheidende Punkt ist das Head-Tracking, das (leider) selten bei Surround-Kopfhörern zum Einsatz kommt. Neben der überragenden Raumsimulation geht beinahe unter, dass der Mobius auch sonst ein sehr guter Kopfhörer mit nur wenigen Schwächen ist – nur die Lautstärke nach Erstverbindung ist ein echtes Problem. Der nächste Wunsch: Bitte den Nachfolger für Filmliebhaber mit Dolby Atmos und DTS:X!
Wertung
: Audeze Mobius
Pros
- Überragende Raumsimulation
- Sehr detailgetreue Wiedergabe
- Umfangreiche Anleitung und Software
- Hardcase im Lieferumfang
- Drei Betriebsmöglichkeiten
Cons
- Bedienung erfordert etwas Einarbeitung
- Gefährlich hohe Pegel bei Erstanschluss an einen Computer
- Basswiedergabe könnte druckvoller sein
- Software nur auf Englisch